Das Geheimnis der Zeitdiebe
„Die modernste Form menschlicher Armut ist das Keine-Zeit- Haben.“
Ernst Ferstl
Die Zeit läuft. Jeden Tag. Doch egal ob jung oder alt, berühmt oder unbekannt, optimistisch oder pessimistisch wir alle haben am Tag gleich viel Zeit. 24 Stunden. Doch wie du diese Stunden füllst, ist deine Wahl. Du kannst deine Zeit entweder vergeuden oder du investierst sie in die Dinge, die dir wichtig sind und ein Lächeln zaubern.
Ein großes und doch alltägliches Geheimnis
„Es gibt im Leben ein großes und doch alltägliches Geheimnis. […] Dieses Geheimnis ist die Zeit.
Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen, aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen- je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt.“ *1
Wer kennt es nicht- das Phänomen, dass die Zeit in einem Moment stehen bleibt und im nächsten Augenblick rennt. Ich kenne das Gefühl gut. Es gibt Momente, in denen die Zeit nicht vergehen will und dann gibt es Augenblicke, da fühlt sich eine Stunde wie zehn Minuten an. Zeit, die nicht verstreichen will, ist oft die Zeit, die ich nicht sinnvoll fülle. Es ist Zeit, in der ich etwas mache, was ich nicht machen möchte oder aus reinem „Pflichtbewusstsein“ erledige. Manchmal vergeht die Zeit aufgrund meiner Glaubenssätze nicht: „Ich muss das jetzt machen, weil…“ oder „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Doch negative Glaubenssätze aufzulösen ist nicht immer einfach. Viele meiner negativen Glaubenssätze habe ich in den vergangenen Jahren ablegen können und doch gibt es noch einige, die mir meine Zeit rauben. Doch neben den negativen Glaubenssätzen spielen auch fehlende Ziele und falsch gesetzte Prioritäten eine große Rolle.
Zeitdiebe
Schon Napoleon Bonaparte wusste: „Die einzigen Diebe, die in unserer Gesellschaft nicht bestraft werden, sind die Zeitdiebe.“ Doch wer genau sind die Zeitdiebe?
Laut Bedeutung Online sind Zeitdiebe „Aufgaben und manchmal auch Personen oder Konstellationen, die uns wertvolle Zeit für wichtige Dinge stehlen.“ Sie sind demnach vor allem Arbeiten, Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die lange dauern und viel Zeit kosten, aber wenig Nutzen bringen. Allerdings ist es nicht einfach die persönlichen Zeitdiebe zu enthüllen, da sie sich hinter Masken und lieb gewonnenen Gewohnheiten verstecken. Sie schleichen sich fast unbemerkt in deinen Alltag und Job und betrügen dich hier um ein paar Minuten, dort um eine Viertelstunde und da um weitere wertvolle Minuten.

In „Momo“ nimmt sich Michael Ende dem Geheimnis der Zeit an. In der Stadt, in der Momo in einem alten, zerfallenen Amphitheater lebt, breiten sich unbemerkt „Die grauen Herren“ aus. Sie stellen sich den Bewohnern der Stadt als Agenten der Zeitsparkasse vor und rechnen den Menschen aus, wie sie angeblich Zeit sparen könnten: Am besten, indem sie vermeintlich nutzlosen Tätigkeiten nicht mehr nachgehen. „Die grauen Herren“ versprechen den Bewohnern sogar, die Zeit, die sie sparen zu verzinsen. Und so werden die Menschen Zeitsparer. Sie arbeiten immer mehr, hetzen durch ihre Tage und selbst in ihrer Freizeit finden sie keine Ruhe. Und obwohl sie alle jetzt mehr Geld verdienen, schneller arbeiten und scheinbar Überflüssiges weglassen ist ihr Leben arm und freudlos.
Zeitdiebe entlarven
Die eigenen Zeitdiebe zu entlarven ist mitunter nicht angenehm. Denn um sie zu demaskieren, musst du den Mut haben dich ihnen zu stellen. Und das ist oft die größte Herausforderung- sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
„Zeitmanagement ist Unsinn. Sie können die Zeit nicht managen- nur ihr Verhalten.“
Michael Kastner
Dass die Verantwortung für unser Zeitmanagement bei uns selbst liegt, habe ich, während meiner Kloster- Aufenthalte lernen dürfen. Während meines ersten Retreats nahm ich am Kurs „Zeit für mich – pausieren, kontemplieren und Selbst-Fürsorge entwickeln“ teil. Und es war erstaunlich zu erkennen, wieviel Zeit ich mit unsinnigen Aufgaben verbringe. Vor meinem ersten Kloster- Aufenthalt gehörte auch ich zu jenen Menschen, die permanent jammern „Keine- Zeit“ zu haben- und mitunter neige ich noch heute dazu. Doch durch meine Aufenthalte im EIAB durfte ich erkennen, wieviel Lebenszeit ich verschwendet habe. Dabei war mein größtes Thema oftmals entweder die falschen Prioritäten gesetzt oder keine Entscheidung getroffen zu haben. Ich bin einerseits ein Mensch, der viele Ideen hat und am liebsten alle gleichzeitig umsetzen möchte, aber andererseits benötige ich viel Zeit für mich. Zum Ausruhen, entspannen und einfach nur für mich sein. Das alles unter einen Hut zu bekommen, fiel mir häufig schwer. Jeden Tag wurde ich mit Entscheidungen konfrontiert, aber wie sollte ich mich entscheiden, ohne zu wissen, was mir wichtig ist?
Zeit für Selbstkritik
„Wir sollten uns von Zeit zu Zeit mit den Augen und dem Abstand eines Beobachters betrachten. Erst dann nehmen wir uns mit einer Klarheit wahr, die uns unmöglich erschien.“
Michél Kothe M. A.
Beim Thema Zeitverschwendung habe ich immer gern eine Abwehrhaltung eingenommen und gereizt reagiert, wenn mich jemand mit meinem Zeitmanagement konfrontierte. Sobald mich z.B. meine Frau oder ein Freund/ eine Freundin auf nutzlose Tätigkeiten hinwies, wurde ich sauer und habe mit „Ja, aber…“ Phrasen reagiert. Doch allein meine gereizte Reaktion war Anzeichen dafür, dass sie Recht hatten. Unbewusst war ich mir klar, dass Zeitdiebe mir wertvolle Minuten und Stunden rauben. Doch ich wollte mir auf keinen Fall vorwerfen lassen mir meine Zeit schlecht einzuteilen.
Doch im Kloster erkannte ich, wie wenig Sinn es ergibt mir selbst etwas vorzumachen und das es sinnvoller wäre mein Verhalten kritisch zu hinterfragen. Bei anderen Menschen fiel mir Zeitverschwendung schnell auf, mein eigenes Handeln redete ich mir indes schön. Und dass meine Selbstkritik sich lohnte, zeigen mir heute all die Tage, an denen ich meine Zeit nun sinnvoll nutze, statt sie sinnlos aus dem Fenster zu werfen.
Zeitdiebe sind individuell geprägt
Jeder Mensch hat seine eigenen, ganz persönlichen Zeitdiebe, für die er anfällig ist. Und nur ein kritisches Hinterfragen der eigenen Verhaltensweisen wird dir zeigen, welche Aktivitäten dir die meiste Zeit raubt.
Typische Zeitdiebe
Obwohl Zeitdiebe individuell geprägt sind, gibt es eine Reihe von Zeiträubern die typisch sind- und somit jeder kennt.

Nicht alle Zeitdiebe kannst du von heute auf morgen verändern, da sie äußeren Umständen geschuldet sind. Dennoch ist es wichtig zu wissen, welche Faktoren und Verhaltensweisen dir deine wertvolle Zeit stehlen.
Einer meiner größten Zeitdiebe war oftmals ausschlafen (außer wenn ich Frühdienst hatte). Nach meinem ersten Kloster- Aufenthalt habe ich dem ein Ende gesetzt. Im Kloster habe ich gelernt, wie angenehm lang ein Tag sein kann, wenn ich früh aufstehe. Heute klingelt mein Wecker täglich um 6:30 Uhr- ganz gleich, ob ich Spätdienst, frei oder Urlaub habe.
Auch mein Smartphone- Verhalten habe ich mittlerweile verändert, indem ich sämtliche Spiele und sinnlose Apps gelöscht habe.
Hingegen fällt es mir nach wie vor schwer Entscheidungen zu treffen und das raubt mir zuweilen übertrieben viel Zeit. Manchmal stehe ich beim Einkaufen vor einem Regal und kann mich nicht zwischen nach „Himbeer- riechendem“- und nach „Meeres- Brise duftendem“ Duschgel entscheiden. Oder ich denke eine halbe Ewigkeit darüber nach, ob ich heute lieber Kartoffel- oder Nudelgratin zubereiten soll. Meine Entscheidungsunfähigkeit raubt aber nicht nur mir Zeit, sondern meiner Frau mitunter Nerven. 😊
Weitere Zeitdiebe
Während meiner Recherche zum Thema Zeitdiebe bin ich über eine Menge Aktivitäten gestolpert, bei denen Menschen sich um ihre Zeit betrogen fühlen. Folgende Zeitdiebe konnte ich finden:
- Sinnlos aus dem Fenster starren und Nachbarn beobachten
- Lange Autofahrten und Stau
- Sprachnachrichten
- Planlos shoppen gehen
- Zeugen Jehovas an der Tür
- Werbeanrufe
- Nicht richtig zuhören
- Mit den Kindern über Hausaufgaben diskutieren
- Mangelnde Konzentration
- Unordnung
- Steuererklärung machen
- Reels auf Instagram
- Prokrastination
- Behördenwahnsinn (Als kleine Anmerkung: Reinhard Mey veröffentlichte auf seinem Album „Menschenjunges“ den Song: Einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars)
- Dinge die plötzlich kaputt gehen
- Partys, gesellschaftliche Veranstaltungen und vor allem Babypartys aus Pflichtbewusstsein
- Warten auf unpünktliche Verabredungen
- Stress
- Wäsche zusammenlegen/ in den Schrank legen
- Bücherregal nach Farben, Autoren oder Größe sortieren (ich sortiere meine Bücher nach Größe 😊)
- PC-Probleme ( da könnte ich an die Decke gehen)
- Auseinandersetzungen mit dem inneren Schweinehund
- Es allen recht machen wollen und sich so verzetteln
Das Gedicht von Gigi Fremdenführer- einer der beiden besten Freunde von Momo
„Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen: Fünf vor Zwölf hat es geschlagen. Drum wacht auf und seid gescheit, denn man stiehlt euch eure Zeit.
Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen: Lasst euch nicht mehr länger plagen! Kommt am Sonntag so um drei, hört uns zu, dann seid ihr frei.“ *2
Mehr über das Geheimnis der Zeitdiebe findest du in meinem Blogbeitrag: Auf der Suche nach der Zeit- Teil Zwei- Wie du die Zeit zähmen kannst.
„Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.“
George Orwell
Quellen:
*1: Ende, Michael: Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit- Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte; Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH &Co. KG, München; 1.Auflage Oktober 1988; Seite: 57
*2: Ende, Michael: Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit- Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte; Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH &Co. KG, München; 1.Auflage Oktober 1988; Seite: 107

[…] Mehr über das Geheimnis der Zeitdiebe findest du in meinem Blogbeitrag: Auf der Suche nach der Zeit- Teil eins […]
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